Die Ideoscope-Visualisierungen gehen zurück auf die italienischen
Stadtmalereien (Veduten) des 17. Jahrhunderts und ihre fantastischen
Gegenstücke (Caprici), sowie auf die Panoramen- und Dioramen-Malerei
des 18. und 19. Jahrhunderts.
Diese Kunstformen wurden durch eine hohe Innovationskraft und
durch experimentellen Umgang ihrer Verfechter mit Perspektive,
Licht und atmosphärischen Effekten voran getrieben. Sie hatten
großen Einfluss nicht nur auf die Malerei, sondern auch
auf Architektur und Unterhaltung ihrer jeweiligen Zeit.
Italien
Die frühesten bekannten Caprici stammen aus Herculaneum
und Pompeji, die 79 n. Chr. vom Vesuv verschüttet werden.
Während Pompeji unter seiner Ascheschicht für die Überlebenden
relativ leicht zu erreichen ist, verhärtet die dicke Schlammschicht
über Herculaneum zu Tuff, durch den man erst in der Neuzeit
Schächte und Stollen hinunter zu der unberührten Stadt
getrieben hat.
Im 15. Jahrhundert werden in Rom unweit des Colosseums die Überreste
des berühmten Domus Aurea, des "Goldenen Hauses" des Despoten
Nero wieder entdeckt. Die riesigen Räume liegen mittlerweile
unterhalb des Erdbodens und werden daher vom Volk als "Grotten"
bezeichnet. Sie enthalten Malereien, die von der zu dieser Zeit
üblichen kirchlichen Malerei völlig abweichen, und daher
"grotesk" ("wie in den Grotten") im Sinne von "seltsam" genannt
werden. Ihre Wiederentdeckung hat weitreichende künstlerische
Konsequenzen und löst eine Renaissance der fantastischen
Architektur aus, z.B. in den Werken Andrea Mantegnas, mit charakteristischen
Juxtapositionen von Gebäuden und Ruinen.
Venedig
Im 17. Jahrhundert entwickelt sich in Venedig vor allem durch
nordeuropäische Künstler die Veduten-Malerei. Sie wird
im 18. Jahrhundert unter dem Einfluss Giovanni Antonio Canalettos
neben dem Portrait zur populärsten europäischen Kunstform
und verbreitet sich von Neapel bis hinauf nach London. Mit Hilfe
technischer Errungenschaften wie der Camera Obscura wird Architektur
so akkurat und detailreich wie nie zuvor wiedergegeben, und noch
heute sind diese Bilder eine wertvolle Quelle für die historische
Forschung.
Rom
Neben Canaletto in Venedig wird in Rom Giovanni Paolo Panini
mit den fantastischen "Vedute Ideate" oder "Caprici" berühmt.
Diese Werke fassen für ausländische Reisende und Pilger
die Sehenswürdigkeiten Roms komprimiert in einem einzigen
Bild zusammen. Vor allem die "Milordi Inglesi" verbreiten die
neue Kunstform schnell im restlichen Europa.
Giovanni Battista Piranesi erhebt im 18. Jahrhundert die Stadtmalerei
vom ausgefallenen Souvenir zur ausdrucksstarken Kunstform, indem
er durch Licht, Schatten und Atmosphäre eindrucksvolle und
heroische Veduten und Caprici der Stadt Rom schafft. Diese emotionsgeladenen
Werke, und mit ihnen der Begriff der "Romanik", verbreiten sich
in ganz Europa und inspirieren z.B. in Madrid um 1800 Goya zu
seinen "Los Caprichos".
Ideoscope-Panoramen greifen die Grundidee der Capriccio-Malerei
wieder auf: Eine Zusammenstellung alle wichtigen Orte einer Stadt
oder eines Gebietes in einem einzigen Bild. Dazu kommen die Möglichkeiten
der modernen Technologie: Nie zuvor war es möglich, so realistisch
anmutende Fotomontagen zu realisieren, nie zuvor konnte mit vertretbarem
Aufwand einerseits so subtil und andererseits so radikal retuschiert
werden.
Edinburgh
1787 lässt der Ire Robert Barker in Edinburgh das Panorama
(nach den griechischen Worten für "Alles" und "Sicht") patentieren,
das er zunächst "la nature à coup d'oeil" nennt. Der
ungeheure Erfolg ermöglicht es ihm, einen gewaltigen Rundbau
in London zu eröffnen: das Leicester Square Panorama mit
mehreren Besucherplattformen und gigantischen 360°-Ansichten
auf über 900 qm Leinwand.
Paris
Am 11. Juli 1822 präsentiert der Panoramen-Maler und Pionier
der Fotografie Louis Daguerre zusammen mit Charles-Marie Bouton
in Paris eine revolutionäre Weiterentwicklung mit durchscheinenden
Leinwänden und atmosphärischer Simulation durch ausgeklügelte
Lichteffekte. 350 begeisterte Zuschauer erleben auf einer drehbaren
Bühne den Wechsel von Tag und Nacht in einem Ölgemälde.
Daguerre und Bouton simulieren Feuersbrünste und Lawinen.
Sie nennen ihr Werk "Diorama" von griechisch "Durch-" und "Sicht".
Provisorische und feste Schaugebäude entstehen von New York
bis Berlin. Daguerre hält seine spezielle Malmethode viele
Jahre geheim und patentiert die Mechanik 1824 unter dem Namen
John Arrowsmith. Der Begriff "Diorama" wird schnell vom Theater
aufgegriffen und für bewegte Panoramen mit Transparenzeffekten
und mehreren Bildebenen verwendet.
Das 20. und 21. Jahrhundert
Heute bezeichnet "Diorama" vor allem dreidimensionale Modelle,
z.B. für Filmproduktionen, Schaubilder oder Museumsdisplays.
Auch die Matte-Painting-Technik bei Kino-Spezialeffekten geht
auf Daguerres Erfindung zurück.
Das Ideoscope-Diorama nähert sich wieder der ursprünglichen
Idee an, denn es handelt sich hier um ein virtuell dreidimensionales
Abbild. Wie Daguerre mit seinen durchscheinenden Leinwänden
und Lichtprojektionen simuliert Ideoscope eine räumliche
Welt auf einem zweidimensionalen Bildschirm.
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