Gießener Anzeiger
Mittwoch, 6. August 2003 Seite 29
Kölner mit großem Herz für Gießen
Till Schürmann entrollt auf Kirchenplatz Panoramabild
Von Thomas Schmitz-Albohn
GIESSEN. Das Dachcafé in unmittelbarer Nachbarschaft
von Stadtkirchenturm, Stadttheater, Kugelbrunnen und den drei
Schwätzern; der Bahnhof direkt an der Lahn und am Ufer gegenüber
Gleiberg und Vetzberg - alle Sehenswürdigkeiten von Gießen
auf engstem Raum und auf einem Blick. Eine solche Fantasiestadt
ist nur mit Hilfe modernster Foto- und Computertechnik möglich.
Mit seinem einfallsreichen Panoramabild von Gießen, das
Baudenkmäler, Häuser und Straßen der Universitätsstadt
ganz neu zusammenwürfelt und doch Bekanntes und Vertrautes
in vielerlei Details entdecken lässt, hat Till Schürmann
aus Heuchelheim vor einiger Zeit für Aufsehen gesorgt. Und
nicht nur das: Er hat sogar einen renommiertem Preis dafür
eingeheimst. So ist er für sein Werk mit dem deutschen "Adobe
Photoshop Award" ausgezeichnet worden. Das war im Mai im Willy-Brandt-Haus
in Berlin.
Nun plant Schürmann den nächsten Coup: Am 19. September
will er sein zehn Meter langes Panoramabild auf dem Kirchenplatz
ausrollen. Von da an soll es drei Monate hängen bleiben.
“Ich gehe davon aus, dass das klappt", sagte er im Gespräch
mit dem Anzeiger.
Der 30-jährige Fotokünstler stammt aus Köln und
hat sein Psychologiestudium an der Gießener Universität
mit dem Diplom abgeschlossen. Die Idee zu dem Gießen-Bild
entstand bereits im studentischen Umfeld. Denn im Programmheft
zur Diplomfeier wollte Schürmann für all jene Kommilitonen,
die zusammen mit ihm das Diplom gemacht hatten und schon im Begriff
waren, Gießen zu verlassen, ein Andenken mit auf den Weg
geben. So fotografierte er neben den Sehenswürdigkeiten der
Stadt auch jene Häuser, in denen die Studienfreunde während
ihrer Gießener Zeit gewohnt hatten. Das alles montierte
er zu einem Fantasie-Gießen mit erfundenen Plätzen
und erfundenen Straßenzügen zusammen. In einer Ecke
findet sich allerdings ein Bauwerk, das nicht an die Lahn gehört:
In künstlerischer Freiheit hat der Fotograf in dem bunten
Sammelsurium - als Hinweis auf seine Geburtsstadt - einen winzigen
Kölner Dom untergebracht.
Till Schürmann, der sich inzwischen selbstständig
gemacht hat und auf dem Gebiet der Computeranimation arbeitet,
ist auf die Ausschreibung für den "Photoshop Award" erst
später gestoßen. "Für den Wettbewerb habe ich
an dem ursprünglichen Bild noch einmal richtig rumpoliert",
erzählt er. Wie er weiter berichtet, ist ihm Gießen
durch dieses Projekt richtig ans Herz gewachsen. Und weil das
so ist, will er bis zum 19. September noch einen Katalog vorlegen,
in dem sich bekannte und unbekannte Gießener in Interviews
über ihre Stadt äußern. Welche Personen er im
Einzelnen interviewt, möchte er im Vorfeld zwar nicht verraten,
aber eine ansehnliche Reihe von Prominenten aus Wissenschaft,
Politik, Kultur und Geschäftswelt hat er schon befragt. Weitere
stehen auf seiner Wunschliste: "Es sind auf alle Fälle interessante
Menschen, die etwas zu Gießen zu sagen haben."
Was ist Heimat? Welche Visionen haben Sie für Gießen?
Kann man hier glücklich werden? - Auf solche und andere Fragen
geben die Befragten Auskunft. "Natürlich sind die Fragen
auf die jeweilige Person abgestimmt", erläutert Schürmann.
"Lassen Sie sich überraschen!"
Der Kölner mit dem Herz für Gießen will aber
auch die Besucher des Kirchenplatzes nicht ungefragt wieder gehen
lassen. So soll am Eröffnungstag ein großes Buch ausliegen,
in dem jeder seine Wünsche über Gießen eintragen
kann.
Vielleicht dürfen die Kommunalpolitiker ja mal einen Blick
hineinwerfen, um zu erfahren, was die Menschen in der Stadt wirklich
bewegt.
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